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Neue Richter braucht das Land

Ideen und Wirklichkeit einer "Justizreform" 1949-1965
Vortrag mit Professor Dr. Michael Kißener in Kooperation mit der Peter-Altmeier-Gesellschaft e.V.

20.07.2023, 18:00 – 21:00, Bundesarchiv Koblenz

Grußwort von Hubert Luszczynski,
Präsident der Peter-Altmeier-Gesellschaft e.V. Vereinigung für staatspolitische Bildung

Sehr geehrte Damen und Herren,
verehrte Gäste,
sehr geehrter Herr Professor Hollmann,

ich danke Ihnen für Ihre freundliche Begrüßung anlässlich unserer gemeinsamen Vortragsveranstaltung, in der uns Herr Prof. Kißener mit seinem provokanten Thema „Neue Richter braucht das Land“ zurückversetzt in die Zeit von der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis in die Mitte der 60er Jahre. Damals wie heute braucht unser Land in der Tat Richter, die dazu in der Lage sind, das Grundgesetz als unmittelbar geltendes Recht zu begreifen und bei ihrer Rechtsprechung anzuwenden.

Eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland nahm die „Rittersturzkonferenz“ ein, zu der Peter Altmeier als Ministerpräsident unseres Landes und Vorsitzender der Konferenz vom 8. bis 10. Juli 1948 in unsere Stadt eingeladen hatte. Zu unserer großen Freude wurde dieser Jahrestag vor 11 Tagen – also am 09. Juli - im Koblenzer Rathaussaal im Rahmen eines Festakts begangen.

Es ist das bleibende Verdienst Peter Altmeiers als gastgebender Vorsitzender der Rittersturzkonferenz, die zum Teil recht unterschiedlichen Positionen der Länderchefs in den „Koblenzer Beschlüssen“ über die künftige Staatlichkeit Deutschlands zusammenzuführen. Diese Beschlüsse waren die Antwort auf die „Frankfurter Dokumente“ der drei westlichen Siegermächte. Sie waren die strukturellen Eckpunkte für die Ausarbeitung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat, der ab September 1948 in Bonn tagte. Für die Einhaltung der neuen verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes brauchte es neue Richter, die die Gewähr boten und bis heute bieten, dass sie in ihrem Handeln allzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten. Dafür waren nach der Zeit der NS-Diktatur mit ihrer nationalsozialistisch ausgerichteten Justiz und der Verstrickung ihrer Juristen mit dem NS-Regime einschneidende Reformen notwendig, über die Herr Prof. Kißener sprechen wird.

In diesem zeitlichen Kontext verstanden, verehrter Herr Prof. Hollmann, habe ich gerne Ihr Kooperationsangebot angenommen. Darum darf ich Ihnen und allen unseren Gästen im Namen und Auftrag des Vorstandes unseren Dank und die Grüße der Peter-Altmeier-Gesellschaft e.V. überbringen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wer sind wir?
Wir sind eine überparteiliche Vereinigung für politische Bildung, die freilich mit Peter Altmeier der CDU nahesteht. Unsere Gesellschaft besteht seit 1978 und ist eine eingetragene Vereinigung für staatspolitische Bildung. Peter Altmeier „…stellte entscheidende Weichen für den Aufbau, die Entwicklung und das Zusammenwachsen des jungen Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Die Vereinigung fühlt sich dem politischen Erbe Peter Altmeiers verpflichtet. Sie will aus christlich-abendländischer Grundhaltung Verständnis und Verantwortungsbewusstsein für Politik, insbesondere bei der Jugend, wecken. Mit Veranstaltungen, z. B. Vorträgen und ….Schülerwettbewerben… wirbt die Peter-Altmeier-Gesellschaft für jene politischen Werte, die das Handeln Peter Altmeiers geprägt haben.“ Dazu gehören u.a. „staatsbürgerliches Handeln im Bewusstsein der individuellen Verantwortung vor Gott und dem Menschen…(sowie) die „…Sicherung der besonderen Würde des Menschen durch Politik, Verfassung, freie Rechtspflege und Wirtschaft.“

Zwei Beispiele mögen Ihnen einen kleinen Einblick in unsere Arbeit geben: Zum einen die Schülerwettbewerbe und zum anderen die Verleihung der Peter-Altmeier-Medaille.

So führen wir seit 2014 zunächst einen regionalen, seit drei Jahren einen landesweiten Schülerwettbewerb für politische Bildung durch. Zum Wettbewerb können Schülerinnen und Schüler der Oberstufen Facharbeiten oder Besondere Lernleistungen in den gemeinschaftskundlichen Fächern einreichen, die von ihren Lehrerinnen und Lehrern mit den Noten „gut“ oder „sehr gut“ bewertet wurden. Der Wettbewerb heißt darum folgerichtig “Politik-Staat-Gesellschaft – Eine ausgezeichnete Arbeit“. Die Schülerinnen und Schüler mit den sechs besten Arbeiten stellen diese in einem Kurzvortrag bei einer feierlichen Preisverleihung vor. Im Anschluss werden sie von Vertretern unserer Förderer gewürdigt. Dazu zählen: Das Bildungsministerium in Mainz, die Stadt Koblenz, der Landrat des Kreises Mayen Koblenz, die Leifheit Stiftung in Nassau, die Initiative Region Koblenz-Mittelrhein und wir selbst. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten eine Urkunde und ein Gratulationsschreiben. Zu unserer großen Freude fügen die Preisträgerinnen und Preisträger ihre Urkunden und Gratulationsschreiben auf ihrem weiteren Lebensweg ihren Bewerbungen bei.

Die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bearbeiteten Themen dokumentieren breites Interesse an politischen Fragen – wie z. B: „Klimawandel und Hochwasser: Gefahren und Maßnahmen am Beispiel des Dorfes Miehlen“, „Die Verkehrswende – gelingt Koblenz der Umstieg aufs Rad?“ oder „Die europäische Impfstrategie in der Coronakrise: Stellt die EU als impfsolidarische Gesundheitsunion ein Beispiel für kommende Krisen dar?“ Bei der Beurteilung suchte die Jury nach Antworten auf folgende Fragen: Wie stark ist das Thema der Facharbeit „auf ein enges, überschaubares Stoffgebiet“ begrenzt? Könnte die Arbeit zur Politikberatung herangezogen werden? Werden politische und grundrechtliche Kategorien/ Werte bei der eigenständigen Beurteilung herangezogen?“

Den Lehrerinnen und Lehrern, die diese Facharbeiten – übrigens neben ihren Unterrichtsverpflichtungen - mit großem Einsatz zu begleiten haben, möchte ich an dieser Stelle noch einmal herzlich dafür danken. Ohne ihr Engagement hätte unser Wettbewerb keinen Bestand.

Der Schülerwettbewerb steht im Lichte des Erbes von Peter Altmeiers: Denn so wie Peter Altmeier sowohl in seinem ersten Allparteienkabinett als auch auf der Rittersturzkonferenz gezeigt hat, wie wichtig es ist, dass es bei politischer Führung vor allem darauf ankommt, Menschen zur Behandlung einer gemeinsamen Aufgabe zusammenzuführen, so gelingt dies auch bei unserem Wettbewerb in den Leistungskursen, in den Familien, ja, auch bei unserer Preisträgerehrung – überall führen die Themen Menschen zusammen, um darüber zu sprechen, sich in den Zielsetzungen zu einigen und schließlich auf Maßnahmen zu verständigen – so wie in den Fraktionen und in den Parlamenten, in den Regierungen, in den Parteien oder auch in gut geführten Unternehmen – ganz im Sinne der Souveränitätslehre: Was alle berührt, muss von allen beraten und beschlossen werden.

Und schließlich ein paar Sätze zur Peter-Altmeier-Medaille:
Wir verleihen seit 1999, dem 100. Geburtstag Altmeiers, eine Medaille. Sie geht an herausragende „…Persönlichkeiten, die sich durch ihr Wirken in Beruf, Politik und Gesellschaft im Sinne des christlichen Demokraten und überzeugenden Landespolitikers Peter Altmeier ausgezeichnet haben.“

Unser letzter Ehrenträger war 2009 Ministerpräsident Prof. Dr. Jürgen Rüttgers. In diesem Jahr werden wir wieder eine Medaille verleihen. Sie geht am 15. September an Herrn Bundestagspräsidenten a.D. Prof. Dr. Norbert Lammert. Da der jeweils letzte Ehrenträger die Laudatio vernehmen wird, freuen wir uns auf die Würdigung von Prof. Rüttgers. Auch dieser Abend wird sicherlich ein Höhepunkt in der Geschichte unserer Gesellschaft!

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Ergebnisse der Rittersturzkonferenz wichen von den Vorstellungen der Alliierten, wie sie die „Frankfurter Dokumente“ formulierten, in drei zentralen Punkten sehr selbstbewusst ab. Um den provisorischen Charakter des neuen westdeutschen Staates bis zu einem geeinten Deutschland hervorzuheben, sprach man sich für ein Grundgesetz anstatt für eine Verfassung aus, für einen parlamentarischen Rat anstatt für eine verfassungsgebende Versammlung und für eine abschließende Abstimmung über das Grundgesetz im Parlament anstatt für eine Volksabstimmung und für einen föderativen Bundesstaat bis zu jenem Zeitpunkt, an das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt hat. Diese Einheit wurde dann am 3. Oktober 1990 mit dem Beitritt der DDR vollzogen – und an den Koblenzer Beschlüssen hat sich interessanterweise bis heute weder begrifflich noch staatsrechtlich etwas geändert. Es sei darum an dieser Stelle die provokante Frage angeschlossen, ob nicht bei unseren Nachbarländern der Eindruck entstehen könnte, dass die Bundesrepublik auch nach der Wiedervereinigung noch immer ein Provisorium sei.

Das Zusammenwirken der damaligen Regierungschefs im Hotel Rittersturz wurde prägend für die Zukunft eines modernen rechtsstaatlich-demokratischen Staatswesens - 75 Jahre in Frieden und Freiheit! Wer hätte das gedacht? Die Menschen- und Bürgerrechte bilden bis heute die inspirierende Grundlage für die Ordnung in unserem Land und die Gestaltung von Staat und Gesellschaft. Junge Menschen zur politischen Mitarbeit daran zu gewinnen, darin sehen auch wir unsere Aufgabe. Der schrittweise Aufbau und das Vertrauen der Menschen in eine dafür geeignete freie Rechtspflege im demokratischen Verfassungsstaat sind dafür unabdingbar. Deshalb brauchten wir nach der Befreiung Deutschlands neue Richter für unser Land.

Und heute gilt: Staatspolitische Bildung und wirksam handelnde Regierungen fördern das Vertrauen in die Demokratie. Staatsversagen zehrt daran und beschädigt die Legitimation unserer freiheitlich-demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung. Daher ist auch hier Wachsamkeit der Preis der Freiheit.